Deutschlands Wirtschaft muss wieder wachsen!
Dieser Gastbeitrag des CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz wurde am Sonntag, den 9. März 2025 in der Welt am Sonntag veröffentlicht.
Deutschlands Wirtschaft muss wieder wachsen!
Friedrich Merz
Künstliche Intelligenz aus China, Inflation Reduction Act in den USA, ein Wiedererstarken des Protektionismus, zunehmende globale Konflikte: Die Welt um uns herum ist in Bewegung wie lange nicht mehr. Das Wirtschaftsmodell Deutschland steht unter dem Druck einer globalen Zeitenwende. Die Phase, in der wir billige Energie aus Russland bezogen haben, uns auf den Schutz freier Handelswege durch Amerika verlassen konnten und unsere Produkte unangefochten an der Weltspitze standen, ist vorbei. Deutschland hat wertvolle Zeit verloren.
Das Ergebnis ist ernüchternd: Nach zwei Jahren in Folge droht auch 2025 eine Rezession. Deutschland ist beim Wachstum das Schlusslicht der G7-Industriestaaten. Die US-Wirtschaft ist seit 2019 um 12 % gewachsen, unsere um 0,3 %. Für die Menschen in unserem Land hat das sehr reale Folgen – verlorene Arbeitsplätze, Zukunftssorgen, weniger Kaufkraft im Alltag. So kann es nicht weitergehen.
Eine von mir geführte Bundesregierung wird die strukturellen Probleme unseres Standortes Schritt für Schritt lösen. Hohe Steuern, hohe Energiepreise, hohe Arbeitskosten und massive Bürokratie bei schwachem Produktivitätswachstum verlangen nach entschlossenem Handeln. Es geht nicht um das Verstellen einiger kleiner Stellschrauben, sondern um einen echten Politikwechsel.
Deutschland hat alle Voraussetzungen, um diesen Politikwechsel zu schaffen. Wir haben herausragende Talente, Spitzenforschung und weltweit erfolgreiche kleine, mittlere und große Unternehmen. Diese Unternehmen brauchen keine Subventionen, sondern die richtigen Rahmenbedingungen, um auch in Zukunft den Wohlstand unseres Landes erarbeiten zu können.
Wir werden den Strom vergünstigen, indem wir Stromsteuer und Netzentgelte senken. Denn unsere Energiekosten sind im internationalen Vergleich viel zu hoch und der Staat verdient mit der Stromsteuer kräftig mit. Auch klimapolitisch ist es sinnwidrig, allein auf Elektrifizierung zu setzen. Ich bin überzeugt, dass wir mit einer anderen Energiepolitik mehr erreichen, für Wirtschaft und Klima zugleich. Ich setze auf Innovationsoffenheit und das Vertrauen, dass die Menschen selbst besser entscheiden können, welche Technologie unter Berücksichtigung steigender CO2-Preise für sie am besten geeignet ist. Wir werden eine verlässliche, bezahlbare und umweltverträgliche Energieversorgung nur durch eine Politik erreichen, die marktwirtschaftliche Kräfte freisetzt. Daher werden wir den Emissionshandel als Leitinstrument ausbauen und alle verfügbaren und zukünftigen Technologien der Energieerzeugung wieder in den Blick nehmen.
Gerade in Zeiten rasanter technologischer Entwicklungen müssen wir wieder Freiraum für Unternehmertum schaffen. Wir haben viele kluge Köpfe, die aber viel zu oft für Forschung, Gründung oder Wachstum ins Ausland gehen. Frankreichs Staatspräsident Macron hat die Ansiedlung von Start-Ups in Frankreich sehr erfolgreich zur Chefsache erklärt – warum soll das bei uns nicht möglich sein? Forscher, Entwickler und Gründer haben eine neue Willkommenskultur in Deutschland verdient. Es muss sich lohnen, wieder etwas zu wagen. Entscheidend ist der entschlossene Rückbau von Bürokratie. Für jede neue bürokratische Regelung werden wir zwei andere rauswerfen (one in – two out). Und in der Gründungsphase möchte ich Unternehmen mit einer Gründerschutzzone gleich ganz von der meisten Bürokratie befreien, damit sie sich in dieser Zeit allein auf das Unternehmerische konzentrieren können. Einen Digitalminister werde ich beauftragen, Deutschland bei Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz an die Spitze zu führen.
Überall in der Wirtschaft fehlen Arbeitskräfte. Mit einer Fachkräfteoffensive werden wir inländisches und ausländisches Fachkräftepotential mobilisieren. Wer etwa als Rentner weiterarbeiten möchte, wird auf ein monatliches Gehalt von bis zu 2.000 EUR keine Steuern mehr zahlen. Das Bürgergeld mit seinen falschen Anreizen schaffen wird ab. Ausländischen Fachkräften werden wir die Arbeitsaufnahme erleichtern. Deshalb werden wir eine digitale Bundesagentur für Einwanderung einrichten, eine „Work-and-Stay-Agentur“, die qualifizierten ausländischen Fachkräften Service aus einer Hand bietet. Einwanderer, die erfolgreich eine Ausbildung oder ein Studium absolviert haben, sollen von dieser Agentur einen schnellen Aufenthaltstitel erhalten.
Unsere Wirtschaft profitiert in besonderem Maße vom europäischen Binnenmarkt. Die Antwort auf Zölle darf deshalb nicht Abschottung heißen, sondern ein noch tieferer europäischer Binnenmarkt und eine neue globale Freihandelsoffensive. Wenn wir Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität wieder in das Zentrum der europäischen Politik stellen, Bürokratie und Regulierung substanziell zurückbauen und den Binnenmarkt auch im Digitalen, bei der Energie und im Kapitalmarkt verwirklichen, schaffen wir die Grundlage für global erfolgreiche europäische Unternehmen. Wir müssen unsere Freihandelspolitik stärker an unseren Interessen ausrichten und das Netz der Abkommen erweitern, nach Mercosur auch mit Indien und den ASEAN-Staaten. Ich werbe auch weiter für einen transatlantischen Wirtschafts-, Handels- und Zukunftsraum, denn Handelskriege kennen nur Verlierer.
Schließlich werden wir das Steuersystem reformieren. Deutschland ist zu einem Hochsteuerland geworden. Wir werden die Einkommensteuerbelastung deutlich reduzieren und die Steuer auf einbehaltene Unternehmensgewinne schrittweise auf international wettbewerbsfähige 25 % reduzieren. Denn 25 % Steuern in einem Land mit Wachstum sind immer noch höhere Steuereinnahmen als 30 % in einer schrumpfenden Volkswirtschaft.
Ich bin zuversichtlich, dass wir diesen Mentalitätswechsel in Deutschland erreichen können. Es wird sich wieder lohnen, in Deutschland fleißig zu sein. Es wird sich wieder lohnen, in Deutschland zu investieren und zu gründen. Deutschland kann Wirtschaft – wir müssen die Menschen nur machen lassen. Dann kommt Deutschlands Wirtschaft wieder voran.
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