Es ist der „große Tag für den deutschen Mittelstand“, begrüßt Gitta Connemann rund 300 Gäste in Berlin – und mehrere hundert weitere im Livestream auf cdu.de. Die Vorsitzende der CDU-Mittelstandvereinigung hat zur Wirtschaftskonferenz ins Konrad-Adenauer-Haus geladen. Es ist eine Krisensitzung.

Deutschland steckt in der Rezession. Auch 2024 wird wenig Wachstum erwartet. Das Land ist beim Wirtschaftswachstum wieder ein Schlusslicht in Europa. Die Ursachen: überbordende Bürokratie, Fachkräftemangel, höchste Energiepreise und drückende Abgabenlasten für Firmen und Verbraucher. Das Ergebnis: Immer mehr Firmen verlagern ihre Produktion ins Ausland. Die Bundesregierung aber handelt nicht – oder falsch, so der Vorwurf von Unternehmern, Startup-Gründern und vielen anderen mehr.

Friedrich Merz: Müssen zeigen, wie es besser geht.

„Wir haben uns etwas vorgenommen. Und wir sind exakt im Zeitplan.“ Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sieht die Union als starke und konstruktive Opposition in Deutschland. Dagegen steht eine äußerst schwache Regierung. „Ich würde mich gerne messen an einer besseren Regierung“, bedauert Merz.

Als zweite Aufgabe sieht der CDU-Chef: „Wir müssen zeigen, wie es besser geht. Denn wir müssen besser werden in Deutschland und Europa.“ Sichtbar ist: Die Lage wirkt besorgniserregend. Der Industriestandort ist in Gefahr. Noch nie seit der ersten Erhebung 2008 waren die Rahmenbedingungen für die industrielle Produktion so schlecht wie derzeit. Die Unternehmen stufen die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung als so schlecht ein wie nie zuvor. Das Ergebnis: Die deutsche Wirtschaft verliert weltweit an Wettbewerbsfähigkeit.

202401231225 1TK9035 ed c CDU-Chef Friedrich Merz sagt klar: Die CDU muss ihre Regierungsfähigkeit sichtbar machen. (Foto: Tobias Koch)

Die Ausgangslage wird verschärft durch die internationale Lage: Wir erwarten ein weiteres Jahr voller Krisen, Kriege und Konflikte.“ Der Ukraine-Krieg wird nicht so schnell enden, wie wir uns das wünschen. Auch, weil die Bundesregierung immer wieder zögert: „Wir haben zu wenig und zu spät getan. Das hätten wir besser machen können und müssen.“ Der Hamas-Überfall und die Reaktion Israels wirken bis nach Deutschland: „Wir dürfen nicht zulassen, dass dieser Konflikt auf deutschen Straßen ausgetragen wird. Antisemitismus auf deutschen Straßen ist völlig inakzeptabel.“

Positiv bewertet Merz das Verhältnis zu Deutschlands unmittelbaren Nachbarn. „Wir können mit Frankreich und Polen gemeinsam Wege suchen, wie wir die politischen und ökonomischen Herausforderungen in Europa bewältigen können.“ In diesem Sinn bewertet er auch den Beitrag des französischen Präsidenten im Bundestag: „Die Rede von Emanuel Macron zu Wolfgang Schäuble war auch ein Auftrag an uns in Deutschland.“

202401231232 2TK6664 ed c Gut 300 Gäste waren live im Konrad-Adenauer-Haus dabei. Mehrere hundert folgten der Veranstaltung im Livestream. (Foto: Tobias Koch)

Friedrich Merz: CDU muss Regierungsfähigkeit zeigen.

Damit, so Merz beginnt Phase drei: „Wir müssen Regierungsfähigkeit zeigen.“ Merz stellt klar: „Die CDU ist in der Lage zu übernehmen. Wir sind in der Lage, den 9.6. auch zu einem Bundestagswahltermin zu machen.“

Der CDU-Chef fordert: „Wir dürfen bei der Beschreibung der Probleme nicht stehen bleiben. Wir müssen beschreiben, wie wir uns erfolgreiche Wirtschaftspolitik vorstellen.” Und weiter “Wir wollen Sozialstaat bleiben, aber Voraussetzung dafür ist, dass unsere Wirtschaft läuft”, so Merz. Er kritisiert das Bürgergeld als „im Ansatz falsch“ und fordert: „Wir werden uns wieder sehr viel mehr anstrengen müssen. Wir werden auch sagen müssen: Wollen wir den Wohlstand erhalten, müssen wir mehr arbeiten als bisher.“ Das bietet auch mehr Fairness gegenüber Arbeitnehmern: „Wir haben jetzt die Chance, die eigentliche Arbeitnehmer-Partei in Deutschland zu werden. Weil genau diese Gruppe darauf wartet, ein Signal zu bekommen.“

Klimaschutz und Wirtschaftspolitik strategisch richtig angehen.

„Klimawandel nehmen wir als Aufgabe an“, bekräftigt Merz. Aber: „Wenn wir dieses Problem lösen wollen, dann darf man es nicht so machen, wie diese Bundesregierung.“ Die bringt den Klimaschutz mit ihrem Handeln in Verruf: Das Heizungsgesetz hat die Menschen verunsichert. Gleichzeitig wurden so viele Öl- und Gasheizungen installiert wie nie zuvor. „Irrsinn!“ nennt Merz diese Politik. Die CDU liegt richtig mit ihrem Ansatz, „sukzessive den CO2-Preis anzuheben“. Dann würden die Meschen erkennen, dass ein Umstieg richtig ist – und selbst geplant umsteigen.

Die CDU will mit einer modernen Wirtschaftspolitik Deutschland wieder nach vorn bringen. Dafür soll ein umfassendes Programm für neuen Aufschwung sorgen, das an den strukturellen Defiziten Deutschlands ansetzt und die Sorgen des Mittelstands aufnimmt. Dazu sollen umfangreiche Reformen mutig angeschoben werden, statt eine Politik im Klein-Klein zu betreiben. Und wegen der Haushaltsnöte will die CDU vorrangig Maßnahmen umsetzen, die Wachstumsimpulse bringen, aber wenig kosten. Dazu zählen Bürokratieabbau, Staatsmodernisierung, Bürgergeld-Reform, Fachkräfte im In- und Ausland anwerben und die Kernkraftwerke wieder in Betrieb nehmen, wo dies möglich ist.

„Wir können uns nicht wehren. Wir werden regieren müssen.“ Wolfgang Schäuble zu Friedrich Merz im Dezember 2023

„Wir wollen jeden Tag zeigen, dass wir die Regierung übernehmen können“, sagt Merz. „Das hat es in unserem Land noch nie gegeben – einen Regierungswechsel nach nur einer Legislaturperiode. Aber diesen Anspruch haben wir.“

Carsten Linnemann: CDU ist auf dem richtigen Weg

„Die CDU ist wieder da. Wir sind super aufgestellt.“ Auch CDU-General Carsten Linnemann sieht seine Partei angesichts der Debattenstärke und mit dem vorgelegten Entwurf zum neuen CDU-Grundsatzprogramm sehr gut aufgestellt. „Der Prozess geht jetzt in die Partei“, sagt er. Die Mitglieder diskutieren. Linnemann lobt die intensive Einbringung der MIT. „Das war beharrlich, überzeugend – und liebevoll“, sagte er an Gitta Connemann gewandt. „Der Mittelstand ist das eigentliche Erfolgsgeheimnis in Deutschland.“

„Das, was die Bundesregierung abliefert, ist desaströs. Dieses Land kann sich weitere eineinhalb Jahre Ampel nicht mehr leisten.“ Carsten Linnemann

Der CDU-Generalsekretär sieht die Bundesregierung akut versetzungsgefährdet: Er verweist auf die vorherige CDU-Bundesregierung unter Angela Merkel. Diese hatte auf die Krisen 2008/09 „richtig und klug reagiert. Wir haben dem Land Planungssicherheit gegeben Das fehlt heute.“ Linnemann fordert: Deutschland muss wieder auf seine Stärken setzen. Der Standort braucht wieder Aufbruchsstimmung. Der CDU-General fordert dazu von der Bundesregierung ein Programm für einen neuen Aufschwung. „Wir müssen verkrustete Strukturen aufbrechen.“

Einfach mal machen: Neustart für Deutschland nötig.

Die Ampel muss einen Mentalitätswandel durchmachen: „Einfach mal machen“, nennt Linnemann das. Experimentierräume schaffen, statt Steine in den Weg zu legen. Und Planungssicherheit schaffen, einen verlässlichen Rahmen für unternehmerisches Handeln. „Leistung muss sich lohnen!“ Das ist Voraussetzung für einen Neustart in Deutschland. „Wir brauchen in Deutschland einen Mentalitätswandel: dass Anstrengung wichtig ist. Dass Wohlstand ohne Anstrengung eine Illusion ist. Wir wollen, dass sich Leitung wieder lohnt. Lasst uns in Deutschland wieder einfach mal machen.“

202401231145 1TK8030 ed c CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann schätzt den politischen Austausch. (Foto: Tobias Koch)

Linnemann sieht in Deutschland beste Voraussetzungen für Aufbruch und Wachstum: Es gibt einen starken Mittelstand und viele so genannte Hidden Champions mit attraktiven Geschäftsmodellen. 99 Prozent der Firmen in Deutschland sind kleine oder mittelgroße Unternehmen. 2020 waren rund 1.600 dieser Unternehmen Hidden Champions – und damit fast die Hälfte weltweit. Sie sind in ihren Geschäftsbereichen weltweit an der Spitze. „Unser Anspruch ist: Der Wirtschaftsstandort Deutschland und deutsche Unternehmen müssen in der Weltspitze mitspielen“, fordert Linnemann. „Made in Germany“ muss eine Qualitätsmarke bleiben.

„Wenn es um Mittelstand und Wirtschaft geht, kommt man an der MIT in Deutschland nicht vorbei.“ Gitta Connemann, Vorsitzende der Mittelstandvereinigung

Dr. Johannes Hahn: Europa muss mehr aus sich machen.

Dr. Johannes Hahn ist EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung. Der gebürtige Wiener sieht die Bundesregierung in einer Verpflichtung, die über Deutschland selbst hinaus reicht: Die EU braucht Deutschland, sagt er. Läuft es in Deutschland, profitiert Europa. „Das eine bedingt das andere“, so Hahn. „Funktioniert Deutschland, ist das auch ein Garant für Europa.“

Der EU-Kommissar kritisiert eine „Komfort-Politik“ der Politik, die Veränderungen weltweit außer Acht lässt. „Europa hat sich in drei Komfort-Zonen eingerichtet, die so nicht mehr existieren“, führt Hahn aus. Es gab billige Energie aus Russland. Es gab den Schutzschirm der USA. Und es gab billige Technologie aus Fernost. „Alle drei gibt es nicht mehr.“

„Europa ist der mit Abstand internationalste Kontinente“, so Hahn. Hier gibt es die größten Investitionen weltweit – und die meisten aus aller Welt. „Der europäische Binnenmarkt ist mit Abstand der attraktivste Binnenmarkt. Dieses Asset müssen wir nutzen.“

Europäische Unternehmen sind stark in ‚Green Technologies‘. „Und wir haben die Chance hier weiter aufzuholen. Wir müssen offensiv an diese Dinge herangehen.“ Derzeit aber werde mehr auf den Status Quo gesetzt, kritisiert er.

„Auf der europäischen Ebene haben wir derzeit nur Verteidiger auf dem Feld. Wo sind die Stürmer? Gewinnen kann man nur mit Stürmern, wenn man Tore schießt.“ Dr. Johannes Hahn, EU-Kommissar

Idee: Sunset-Close bei Gesetzen.

Mit neuen Ansätzen will Hahn die EU wieder wettbewerbsfähiger machen. „Die Idee ist, dass wir in Zukunft jedes Gesetz mit einem automatischen Ablauf Datum versehen. Dann kann man sich anschauen, ob man es verlängert. Oder man kann es durchstreichen.“ Er fordert mehr Mut zu neuem Handeln: „Scheuen wir uns nicht vor dem globalen Wettbewerb. Es geht darum, Lösungen zu finden, nicht Losungen.“

202401231330 1TK0246 ed c MIT-Chefin Gitta Connemann (Mitte) freut sich über eine gelungene Veranstaltung. (Foto: Tobias Koch)