Stellen Sie sich vor, Sie wählen Ihre Abgeordnete oder Ihren Abgeordneten mit Erststimme direkt. Ihre Wahl gewinnt das Direktmandat – und darf doch nicht in den Bundestag. Stellen Sie sich vor, eine Partei gewinnt bei einer Bundestagswahl 40 Direktmandate – aber diese direkt gewählten Abgeordneten dürfen das Amt nicht antreten. Dieser Gedanke ist nicht abwegig. Denn Voraussetzung für einen Einzug von Einzelbewerbern ist künftig, dass die dahinterstehende Partei mindestens 5 Prozent der Stimmen erhält. So hat es die Ampel beschlossen. Dagegen klagt die Union.

Die Union sieht vor allem zwei Grundrechte verletzt: die gleichen Rechte bei Wahlen nach Artikel 38 Grundgesetz und das Grundrecht auf Chancengleichheit der Parteien nach Artikel 21 Grundgesetz.

Mehr Fragen als Antworten

Dürfen also Einzelbewerber ohne Partei künftig gar nicht mehr kandidieren? Oder dürfen sie zwar kandidieren, können aber kaum noch gewählt werden? Oder werden Einzelbewerber ohne Parteiliste künftig anders behandelt als Parteikandidaten? Dürfen Kandidaten überhaupt unterschiedlich behandelt werden?

„Einer solchen Beschädigung des Vertrauens in unsere Demokratie werden wir zu keinem Zeitpunkt zustimmen.“ Friedrich Merz

Klar ist: Das neue Gesetz lässt viele Fragen offen. Aus Sicht der Union ist es sogar undemokratisch. Deshalb haben CDU- und CSU-Abgeordnete gegen die Neuregelung geklagt. Jetzt verhandelt ‚Karlsruhe‘, das Bundesverfassungsgericht, die höchste Ebene des deutschen Rechtssystems.

„Parteien, die nur in einem Bundesland antreten, müssen nach dem #Wahlrecht der Ampel künftig bundesweit mindestens 5% erzielen. Das kann die @CSU treffen, aber auch andere Parteien. Das ist offensichtlich rechtsmissbräuchlich und verfassungswidrig von der #Bundesregierung.“ Friedrich Merz auf X (tm)

Weniger Abgeordnete im Bundestag

736 Abgeordnete hat der aktuelle Deutsche Bundestag. Das sind 138 mehr als es sein sollen. Schon in der letzten Wahlperiode hatten CDU, CSU und SPD beschlossen, die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 280 zu verringern. CDU und CSU hatten danach sogar vorgeschlagen, die Zahl der Wahlkreise auf nur 270 zu begrenzen. Von den 598 Plätzen entfielen dann 328 auf Listenplätze. Die Zahl der Überhangmandate kann dadurch weitgehend ausgeglichen werden. Der Bundestag würde deutlich kleiner.

„Wir sind uns mit der #Bundesregierung einig, dass der Bundestag kleiner werden muss. Aber das #Wahlrecht der #Ampel verletzt in grober Weise die Chancengleichheit der politischen Parteien im Bundestag. Deswegen klagen wir dagegen in Karlsruhe.“ Friedrich Merz auf X (tm)

Auch das neue Wahlrecht der Ampel hat weniger Abgeordnete zum Ziel. Es weicht aber entscheidend von den Vorschlägen der Union ab: Für die Zahl der Sitze einer Partei im Parlament zählt künftig allein ihr Zweitstimmenergebnis. Gewinnt die Partei mehr Direktmandate, bekommen die Wahlkreisgewinner mit den schlechtesten Erststimmen-Ergebnissen das Mandat nicht.

Die Kritik der Union

Die Ampel hat einen Systemwechsel im Wahlrecht beschlossen. Ihr Ziel ist ein Verhältniswahlrecht: Die Wahlkreise werden nicht mehr automatisch von Erstplatzierten gewonnen werden. Stattdessen wird eine endgültige ‚Zuteilung‘ des Mandats von den Zweitstimmen abhängig gemacht.

Das deutsche Wahlrecht hat die Direktkandidaten immer besonders gestärkt. Sie stehen für Bürgernähe, für Arbeit vor Ort. Sie sind die ‚Kontakt-Abgeordneten‘, die Kümmerer. Die Ampel weicht davon ab. Sie will Vorrang für die Partei-Listen. Damit aber können weniger die Wählerinnen und Wähler vor Ort auswählen.

Das Gesetz richtet sich auch klar gegen die CSU: 5,2 Prozent der Zweitstimmen erreichte die CSU bundesweit. Das ist nah an der 5-Prozent-Hürde. Verliert die Union weiter Stimmenanteile, könnte die CSU bundesweit unter die 5-Prozent-Hürde rutschen. Damit dürfte kein CSU-Kandidat mehr in den Bundestag einziehen. Auch wenn die CSU gut aufgestellt ist: Eine solche Attacke kann nicht akzeptiert werden.