Nur zwei Stimmen fehlten Rainer Barzel zum Einzug ins Kanzleramt. Am 27. April 1972 war das. Beim konstruktiven Misstrauensvotum im Bonner Bundestag. Später wurde bekannt, dass die Stasi mit Bestechungsgeldern zwei Abgeordnete dazu brachte, gegen Barzel zu stimmen. Die Bundesregierung aus SPD und FDP hatte zuvor ihre Bundestagsmehrheit verloren, Abgeordnete waren zur Union gewechselt. Das konstruktive Misstrauensvotum zugunsten Rainer Barzels schien Formsache. Doch am Ende fehlten zwei Stimmen. Seine Karriere blieb „in gewissem Sinne unvollendet“, wie Heribert Prantl in seinem Nachruf zum Tode Barzels im Jahr 2006 schrieb.

Mehr als zehn Jahre bestimmte Barzel die Politik der CDU. 1957 wurde er mit nur 33 Jahren Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Paderborn. Mit 38 war er schon Minister für Gesamtdeutsche Fragen im Kabinett von Konrad Adenauer. Mit 40 wurde er zum Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Als „unglaublich ehrgeizig, einfallsreich und wendig, ein hochbegabter Mehrzweckredner im Parlament, die Schaltstelle der Politik im Kabinett des Bundeskanzlers Ludwig Erhard“, beschrieb ihn Prantl. Als Manager der ersten Großen Koalition von 1966 bis 1969. Viele sahen es damals so: Barzel war der Mann der Zukunft.

Mit dem gescheiterten Misstrauensvotum von 1972 endete der Aufstieg Rainer Barzels. Er selbst nahm es später gelassen. Er wurde Minister unter Helmut Kohl, war 1983 bis 1984 Präsident des Deutschen Bundestages. Er wurde später zum Begleiter der Politik, zum Mahner der CDU.

Heute wäre Rainer Barzel hundert Jahre alt geworden. Wir gedenken dieses Ausnahmepolitikers und leidenschaftlichen Parlamentariers. Rainer Barzel war Vorsitzender der CDU, langjähriger Fraktionsvorsitzender von CDU/CSU im Deutschen Bundestag, Präsident des Deutschen Bundestags und Bundesminister. Besonders am Herzen lagen ihm gute Beziehungen zu Israel und Frankreich sowie Bemühungen um die Deutsche Einheit. Sein Blick war stets auf das Christliche gerichtet, auf das ‚C‘ in CDU. Rainer Barzel hat sich um unsere Partei und um unser Land verdient gemacht.