Österreich, Frankreich, Schweden, Japan, die USA und viele andere mehr haben einen Nationalen Sicherheitsrat. Wird es nicht Zeit, dass auch in Deutschland Experten aus Bund und Land so an einen Tisch kommen? Dazu diskutierten über 120 Fachleuten des CDU-Netzwerks Nationale Sicherheit aus den Bereichen Polizei, Justiz, Nachrichtendienste, Bundeswehr und anderen mehr. Ort der Debatte: das Konrad-Adenauer-Haus in Berlin.

Voneinander lernen. Wechselseitige Einsichten bekommen.

Henning Otte ist ein erfahrener Verteidigungspolitiker. Der Bundestagsabgeordnete umreißt die Ausgangslage: „Bei der aktuellen Sicherheitslage hat Deutschland seinen Führungsanspruch verloren. Den gilt es zurückzuerobern. Und das gilt auch für die Blaulichtkräfte. Der Austausch im Netzwerk ist dafür von besonderer Bedeutung.“

Auch die Co-Vorsitzende des Netzwerks Nationale Sicherheit der CDU will „voneinander lernen und wechselseitige Einsichten bekommen“. Tamara Zieschang ist Innenministerin von Sachsen-Anhalt. Sie sieht einen besonderen Mangel bei der Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung: Die Länder wurden nicht eingebunden. Ihre Forderung: „Das musss man heutzutage vernetzt denken.“

Was muss ein Nationaler Sicherheitsrat leisten?

Kann ein Nationaler Sicherheitsrat als feste Institution helfen? Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter gibt eine Einordnung: Eine echte Nationale Sicherheitsstrategie gibt es derzeit in Deutschland nicht. Die Ampel-Regierung hat nur einen Katalog von Maßnahmen zusammengeschrieben. Dem gegenüber stehen neue Bedrohungslagen. China, Russland, Iran und Nord-Korea sind eine Gefahr für ihre Nachbarn und die ganze Welt. Russland hat mit der Ukraine einen Nachbarstaat bei Bruch aller internationalen Regeln überfallen. Das Mullah-Regime im Iran unterstützt militante Islamisten wie die Hamas im Gazastreifen, die Hisbollah im Libanon oder die Huthis im Jemen im Kampf gegen Israel. Das Regime in Nordkorea droht immer wieder mit Atomschlägen gegen das demokratische Südkorea. „Wir haben eine Gleichzeitigkeit von Krisen, die zu einer Ressourcen-Konkurrenz führen“, sagt Kiesewetter, der vor seiner politischen Karriere als Oberst in der Bundeswehr diente. Er schlussfolgert: „Wir haben eine neue Bedrohungslage. Ein Nationaler Sicherheitsrat kann eine Menge leisten.“

Die CDU hatte schon vor 3 Jahren Vorarbeit geleistet. Damals unter dem Eindruck der Haltung Russlands in der Ukraine, noch ohne offene Kriegshandlung. Der Fehler damals: Die Verantwortung lag im Außenministerium, nicht im Kanzleramt. Die Nationale Sicherheitsstrategie fordert aber eine integrierte Sicherheitsstrategie mit integrierter Friedens- und Sicherheitsforschung. „Es braucht ein Mindset mit den besten Köpfen. Und es braucht eine Legitimation“, beschreibt Kiesewetter das. Das größte Problem derzeit: Der Bundeskanzler fühlt sich nicht zuständig.

Was in Israel passiert, bleibt nicht in Israel

Zieschang wirft als Innenministerin einen Landes-Blick auf die veränderte Sachlage: „Es ist unbestritten, dass die Innere Sicherheit von äußeren Einflüssen beeinflusst, wird“, stellt sie fest. Beispiele dafür sind: Bürgerkriege, Terrorismus, Migration und Flucht. Eine Nationale Sicherheitsstrategie und eine Abstimmung über einen Nationalen Sicherheitsrat können aus ihrer Sicht dazu beitragen, Gefahren früh zu erkennen und erfolgreich abzuwehren.

Sie nennt konkrete Beispiele: Mit dem 7. Oktober 2023 verschärfte sich schlagartig die Sicherheitslage in Deutschland. Jüdische Einrichtungen sowie Jüdinnen und Juden wurden auch in Deutschland bedroht. Das Risiko von Terroranschlägen durch Islamisten wuchs in dem Augenblick, in dem Israel sein völkerrechtlich verbrieftes Selbstverteidigungsrecht geltend machte. Der Tod Alexej Nawalnys hat zu Protest- und Solidaritätsveranstaltungen auch in Deutschland geführt. Drohungen gegenüber russischen Einrichtungen konnten nicht ausgeschlossen werden. „Alles das sind Beispiele dafür, dass außenpolitische Ereignisse unmittelbare Auswirkungen auf die Innere Sicherheit haben.“

In der weiteren Diskussion wurde diese Problematik noch deutlicher: Internationale Ereignisse haben direkte Auswirkungen auf uns. Unsere Gesellschaft ist vielfältiger geworden. Manche Konflikte sind den Weg nach Deutschland mitgegangen. Und: Wir sind noch nicht am Ende einer Entwicklung angekommen, die zu einer weiteren Wanderungsbewegung und Migration führen kann.

Es gibt aber auch positive Hinweise: Hinter den Kulissen gibt es im Nahen Osten gute Gesprächsansätze zwischen gegnerischen Gruppen. Und der Krieg der Terrororganisation Hamas gegen Israel ist gerade wegen dieser Gespräche bisher nicht zum regionalen Flächenbrand geworden.

Nationaler Sicherheitsrat: klare Bedingungen für eine erfolgreiche Arbeit

Roderich Kiesewetter und Philipp Amthor leiten in zwei Workshops durch spannende Debatten. Am Schluss besteht weitgehend Einigkeit, was ein Nationaler Sicherheitsrat leisten muss. Die CDU hat sich klar für ein solches Gremium entschieden. Es muss aber Bedingungen erfüllen.

1. Was soll der Nationale Sicherheitsrat leisten?

Er muss einen echten Mehrwert bieten, unter anderem für Planung und Vorbereitung von Entscheidungen zur Sicherheit Deutschlands. Die Arbeitsweise soll flexibel und pragmatisch erfolgen. Über ihn muss ein einheitliches Lagebild entstehen, das dann auch für alle teilnehmende Akteure verbindlich ist. Zur Stärkung der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, muss er im Bundeskanzleramt verankert werden. Bund und Länder müssen im Nationalen Sicherheitsrat zusammenwirken.

2. Welche Schwerpunkte muss es geben?

Schwerpunkt müssen die klassische Innere und Äußere Sicherheit sein. Es muss aber auch Schnittstellen geben zu Themen wie Ernährungssicherheit, globale Gesundheitsfragen und Pandemien sowie Abwehr von möglichen Sanktionen von feindlichen Regimen. Ein wohl organisiertes Wissensmanagement mit zielgerichtetem Datenmanagement und Schnittstellen soll zu einer faktenbasierten Positionierung der Bundesregierung in internationalen Organisationen und Gremien beitragen.

3. Welche Rolle kann ein Nationaler Sicherheitsrat einnehmen?

Gleichzeitig kann der Nationale Sicherheitsrat eine Rolle als Frühwarnsystem einnehmen. Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) könnte die Funktion eines Arbeitsmuskels für diese Funktion übernehmen. Dazu sollte eine parlamentarische Begleitung kommen, ergänzt durch einen organisierten Austausch mit der sicherheitspolitischen Community.

4. Welche Strukturen braucht es?

Hier gibt es die meisten offenen Fragen: Wie ist die Aufgabenverteilung? Wo gibt es Konfliktpotenzial – zum Beispiel zwischen dem Nationalen Sicherheitsrat im Bundeskanzleramt und dem Außenministerium? Wo sollen strategische, wo operative Fragen entschieden werden? Braucht es Gesetzesänderungen, vielleicht sogar eine Anpassung des Grundgesetzes?

Das Ziel: mehr Handlungsfähigkeit

Am Ende geht es um mehr Handlungsfähigkeit. Krisen früh zu erkennen, damit man schnell, effizient und erfolgreich reagieren kann, das ist die Hauptaufgabe. Die CDU ist grundsätzlich für die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats. CDU-Chef Friedrich Merz will das zur Chefsache machen.