Nachdem bereits zwei Veranstaltungstage vergangen sind, steht noch immer eine Frage im Raum: Warum hat sich die Junge Union für das Motto ihres diesjährigen Bundesausschusses entschieden? „Weil es unser Europa ist!“ - Was folgt daraus? Was erfordert das? Klingt nach einer notwendigen Begründung, die den Nebensatz dieses Mottos vervollständigt.

Eine große blaue Wand, auf der gelbe Sterne prangen. Nicht in Brüssel oder Straßburg – nein, in Braunschweig betritt die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen die Bühne des politischen Nachwuchses ihrer CDU-Familie. Hält sie als Gast von oberster Stelle die passende Begründung für das Motto bereit? Zunächst erst einmal hält sie dankende Worte für die Einladung beim Unions-Nachwuchskader parat. Nach Gratulation zum 75. Deutschlandtag und Chapeau für die unerwartet wachen Gesichter am Sonntagmorgen wird es dann ernst, sehr ernst.

Leise oder laut - es ist Krieg

Egal wohin man schaut, es gibt Krieg, auch in Europa. Nicht nur ein lauter Krieg in der Ukraine, wo täglich Bomben fallen. Wo tausende Menschen dem Angriff von Putin zum Opfer fallen. Auch im benachbarten Belarus herrscht Krieg, allerdings ein leiser. Von der Leyen nimmt Bezug auf ihre Vorrednerin. Kurz zuvor stand die belarussische Oppositionsführerin und Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja auf der Bühne. Sie berichtete von den ungehörten Schreien der Verhafteten in Minsk, darunter auch ihr eigener Mann Sergej. Er teilt dieses Schicksal mit 1500 weiteren unschuldigen Menschen. Sie alle mussten ihre persönliche Freiheit einbüßen, weil sie den Mut hatten, die eigene Meinung zu äußern. 202310221113 2TK5097 ed foto tobias koch c

Foto: Junge Union Deutschland / Tobias Koch

Kein Platz in unserer Welt für Antisemitismus – heute und immer! Doch es geht leider noch schlimmer. Tags zuvor war bereits der israelische Botschafter Ron Prosor zu Gast beim Deutschlandtag der Jungen Union. Unter tosendem Applaus, Standing Ovations und einem Meer von geschwenkten Israelflaggen hatte er sich für die Solidarität bei den Nachwuchskräften der Union bedankt. Für von der Leyen steht fest: „Das ist das Mindeste, was wir tun können. Es ist jetzt unsere Aufgabe, Farbe zu bekennen.” Sie betont deutlich: „Gewalt gegen Juden und Antisemitismus haben in unserer Welt keinen Platz, heute und immer!“ Ebenso wichtig ist ihr, dass es kein Widerspruch ist: Solidarisch an der Seite Israels zu stehen und in Gaza Hilfe zu leisten, das ist menschlich und notwendig. Damit bekräftigt die europäische Kommissionspräsidentin die Position von CDU-Chef Merz. Er setzt sich stark dafür ein, jegliche Art von Hilfestellung, insbesondere die finanzielle doppelt und dreifach zu überprüfen.

Angesichts der barbarischen Situation macht Von der Leyen deutlich: Sie wird sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die Gewalt der Hamas in Israel nicht auf andere Staaten im Nahen Osten übergreift. Ihr kürzlicher Besuch in Israel hatte schockierende Bilder offenbart: niedergebrannte Häuser, Einschusslöcher, Granatsplitter und überall Blut. Als Vertreterin der Europäischen Union steht für sie fest: Die Annäherung zwischen Israel und den arabischen Nachbarn darf nicht länger brutal und barbarisch verhindert werden – weder durch die Hamas noch durch den Iran, der die Terrorgruppe unterstützt. In Teheran laufen die Fäden von Mord, Krieg und Gewalt zusammen. Schließlich beliefert der Iran auch Putin mit Drohnen, mit denen die Russen die Menschen in der Ukraine angreifen. Eine Waffenschmiede mit dem einzigen Ziel, Gewalt und Chaos zu schüren. Das Töten unschuldiger Menschen, das Verschleppen von Geiseln, das Verneinen des Existenzrechts einer Nation darf keine Chance haben – egal ob in Israel oder in der Ukraine. Freiheit, Selbstbestimmung und das Überleben ihrer Demokratie – in Israel kämpft man schon seit Gründung des Staates 1948. Und in der Ukraine dauert dieser Kampf nun mehr als 600 Tage. „Putin muss und wird scheitern damit wir friedlich auf unserem Kontinent leben können“, stellt von der Leyen klar heraus.

Ein starkes Europa für alle Herausforderungen

Es braucht ein starkes Europa. „Eine Europäische Union, die seit mehr als 70 Jahren Frieden, Freiheit und Wohlstand erreicht hat. Darauf dürfen wir stolz sein”, betont von der Leyen. Das hat auch die Junge Union erkannt und das entsprechende Motto für den diesjährigen Deutschlandtag gewählt. „Das finde ich klasse“, freut sich die europäische Kommissionspräsidentin. Denn es braucht mehr als ein Europa, das Solidarität leistet und Hilfe gibt, wo diese notwendig ist. Es braucht ein starkes Europa, das Antworten findet und umsetzt. Gerade in dieser Zeit voller Herausforderungen. Wer sollte sie besser bewältigen können als die Vordenker der nächsten Generation, die Vordenker in der Unionsfamilie? Drei dieser Herausforderungen sind so brandaktuell, so dringend notwendig zu bewältigen, dass von der Leyen sie namentlich ausführt.

Migration ordnen

„Kaum ein anderes Thema löst solche Emotionen aus. Kaum ein anderes Thema ist wichtiger.“ Ohne Scheu macht von der Leyen deutlich, dass es dringend notwendig ist, Antworten zu finden. Antworten, die den Kommunen quer über Deutschland verteilt dabei helfen, diese Belastung zu bewältigen. Sie erläutert, dass allein im vergangenen Jahr 330 000 Flüchtlinge ohne Berechtigung allein in Deutschland eingereist sind. Schlepper und Schleuser machen ein Milliarden-Geschäft. „Sie belügen Menschen, rauben sie aus und setzen sie in see-untüchtige Schlauchboote“, empört sich von der Leyen. Ihr Ärger geht weiter: „Konsequent abschieben, wo es keinen Anspruch auf Asyl gibt – hier hapert es gewaltig! Allein 2022 gab es knapp eine halbe Million Ausreise-Bescheide in Europa. Achtzig Prozent dieser Fälle halten sich noch immer in Europa auf. Für sie steht eindeutig fest: „Das muss sich ändern. Das sind wir unseren Kommunen schuldig.“

Der Klimaschutz

Auch das nächste Thema zeigt, dass die Junge Union ein wichtiger Vordenker ist. Sie waren die allerersten, die als politischer Verband bereits 1971 den Umweltschutz auf die politische Agenda gerückt haben. Lange vor dem Club Of Rome oder modernen Klimaaktivisten haben sie die Grundlage für die ersten Umweltminister ins Leben gerufen. Die ersten Umweltminister – namentlich Walter Wallmann und danach Klaus Töpfer – waren Mitglied der CDU-Familie. “Das spricht für sich! Warum sollten wir dieses Megathema anderen überlassen?“ Denn in jeder Herausforderung stecken auch Chancen. 202310221044 1TK8777 ed foto tobias koch c

Foto: Junge Union Deutschlands / Tobias Koch

Für die europäische Kommissionspräsidentin ist eines vollkommen klar: „Ich will, dass wir Nummer 1 bleiben. Deutschland ist einer der Top-Standorte, die wir in Europa haben.“ Beim Blick auf Patente wird schnell klar, dass Europa weltweit führend ist. Grüner Wasserstoff, Offshore-Windkraft oder intelligente Stromnetze – für die Umstellung auf saubere Energie liefert Europa die entscheidenden Erfindungen. Von der Leyen verweist beim Thema Windkraft auf Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsidenten: „Daniel Günther zeigt dem Rest Europas, wie es geht.“ Auch für sauberen Stahl fällt ihr ein CDU-Minister ein: „Hendrik Wüst geht mit NRW beim sauberen Stahl voran.“ Innerhalb von fünf Jahren haben wir es auch durch das Engagement in NRW von Null auf 38 europäischen Produktionsstätten für klimaneutralen Stahl geschafft. Für von der Leyen besteht kein Zweifel, was jetzt gefragt ist: „Wir können die Weichen heute noch richtig stellen – im engen Zusammenspiel mit der Wirtschaft. Unser Ziel in Europa ist klar: Der Clean-Tech-Boom soll hier bei uns Arbeit uns Wohlstand schaffen.“

Das Zusammenspiel von Digitalisierung und KI

Die letzte Herausforderung auf der Liste der dringenden Themen ist die Digitalisierung und, eng damit verbunden, die Künstliche Intelligenz. Auch im digitalen Zeitalter darf Europa nicht unterschätzt werden. Von der Leyen schaut in fragende Gesichter, als sie die Namen Lumi, Vega, Meluxina und Jupiter vorliest. „Nein, das sind nicht die Kinder von Elon Musk. Das sind vier der Supercomputer in der EU“, entgegnet sie mit schelmischem Stolz. Drei der fünf weltweit leistungsstärksten Supercomputer stehen heute in der EU. Und damit nicht genug. Auch wenn Digitalisierung für viele Deutsche auf einem anderen Stern stattzufinden scheint – es sind gerade die KI-Pioniere wie Sam Altman, der CEO von Open AI und Gründer von Chat GPT, erzählt von der Leyen den erstaunten Zuhörern. Bereits mehrfach ist er nach Brüssel zur Europäischen Union gereist. Warum? Um sich beraten zu lassen.

Denn in Europa gibt es die rechtlichen Leitplanken für die digitale Welt. Für sie steht fest: „Hier gelten die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft - dem Erfolgsmodell der Christdemokratie. Auch die KI muss den Menschen dienen und nicht umgekehrt.“

„Vom Menschen her denken, das ist der Markenkern unseres europäischen Binnenmarktes“, fasst sie zusammen. Ein Markenkern, der europäischen Start-Ups Rechenpower zur Verfügung stellt und KI-Ideen zur Marktreife bringen wird. Für die europäische Kommissionspräsidentin steht eines außer Frage: „Wir wollen, dass die nächsten digitalen Champions aus Europa kommen!“