Wir erinnern an Anne Frank
Zusammengefasst:
- Nie wieder ist jetzt: Damit aus Worten keine Taten werden
- Von Judenhass zu Fremdenhass
- Für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt
Anne Frank wäre heute 95 Jahre alt geworden. Das jüdische Mädchen, deren Tagebuch viele von uns in unserer Schulzeit gelesen haben. Das jüdische Mädchen, das mit ihrer Familie aus ihrer deutschen Heimat in die Niederlande fliehen musste. Das jüdische Mädchen, das ihr Leben noch vor sich hatte. Dass sie heute ihren Geburtstag nicht feiern kann, liegt am Völkermord an den Juden durch die Nationalsozialisten. Das Versteck von Anne Franks‘ Familie in Amsterdam wurde verraten. Die Familie verschleppt. Anne und ihre Schwester Margot starben im Konzentrationslager Bergen-Belsen an den menschenunwürdigen Bedingungen. Anne Frank war erst 16 Jahre, ihre Schwester 19 Jahre alt.
Anne Frank ist eine der geschätzt 6 Millionen Juden, die von den Nationalsozialisten ermordet worden. Am Anfang waren es Worte, aus denen später Taten folgten. Im Buch „Mein Kampf“ von Adolf Hitler stellte dieser bereits 1925 – klar für alle zu lesen – seinen Judenhass dar. Er sprach den Juden ihre Religion ab, nannte sie „Parasiten“ und beschwor, dass eine Weltherrschaft der Juden bevorstehe. Was folgte, ist ein Mahnmal auf gleich mehreren Ebenen. 1933 wurde die Hitler-Partei NSDAP bei den letzten – zum Teil – freien Wahlen zur stärksten Kraft im Deutschen Reichstag. 1939 begann Hitler den Zweiten Weltkrieg. 1942 wurde bei der Wannsee-Konferenz die „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen. Der Zweite Weltkrieg kostete 65 Millionen Menschen weltweit das Leben, die Hälfte davon waren Zivilisten. Deutschland lag in Trümmern. 1946 wurde der Begriff „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zur Ahndung der Verbrechen gegen die Juden geprägt.
Nie wieder ist jetzt: Damit aus Worten keine Taten werden
Was auch folgte: das Versprechen „Nie wieder.“ Deutschland wurde wieder aufgebaut, heute genießen wir in der Welt ein hohes Ansehen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Deutschland ist ein weltoffenes Land und wir sind stolz darauf. Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit haben einen hohen Stellenwert. Doch leider ist Antisemitismus auf unseren Straßen spürbar. Das liegt nicht zuletzt an dem Konflikt zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas. Wichtig festzuhalten ist: Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsraison. Das sagte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel 2008 in Israel. Dazu bekennt sich die CDU heute. Denn Deutschland hat eine historische Verantwortung für Israel.
Gleichzeitig darf man Israel auch kritisieren. Was nicht geht: antiisraelische Parolen wie „From the River to the sea“ (zu deutsch: Vom Fluss bis zum Meer) oder antisemitische Parolen wie „Anne Frank in den Schrank“. Da gibt es keinen Interpretationsspielraum, so Herbert Reul, Innenminister von Nordrhein-Westfalen. Auch Verschwörungstheorien gegen Juden, wie etwa die Mythe um die Weltherrschaft der jüdischen Rothschild-Familie, sind weiterhin im Umlauf. Nicht unterschätzt werden sollte, dass aus Worten Taten werden. Seit dem Angriff der Hamas auf Israel sind antisemitische Vorfälle in Deutschland angestiegen, erklärt die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus. Viele jüdische Studenten haben seit dem 7. Oktober Angst, in ihre Universität zu gehen.
Von Judenhass zu Fremdenhass
Antisemitismus hat leider auch wieder Einzug in die Politik gefunden. Rechtsextremisten wie der AfD-Politiker Björn Höcke bedienen sich der Worte der Nationalsozialisten und des Mottos der SS. Das Landesgericht Halle verurteilte den Geschichtslehrer Höcke zu einer Geldstrafe. Auch vor der Verharmlosung des Völkermordes schreckt Höcke nicht zurück.
Bei der Verharmlosung des Völkermords an den Juden fängt es an, beim Fremdenhass geht es weiter. Im November trafen sich Rechtsextremisten in Potsdam, auf dem Programm stand der „Masterplan zur Remigration.“ Aus Deutschland abgeschoben werden sollten Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und „nicht assimilierte“ deutsche Staatsbürger. Auf Sylt skandierten an Pfingsten junge Menschen, nicht wenig älter als Anne Frank: „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus.“ Haben sie das Tagebuch von Anne Frank nicht mehr in der Schule gelesen? Nicht verstanden, wozu Hass und Hetze führen können?
Für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt
Was nun? Klar ist: Hass und Hetze haben in unserer Gesellschaft keinen Platz, egal ob gegen die Religionsangehörigkeit, Nationalität oder Sexualität einer Person. Bei den Europawahlen wurde die AfD zweitstärkste Kraft, im Osten sogar die stärkste. Wäre Anne Frank noch am Leben, was hätte sie dazu gesagt? Nicht nur sie, auch viele ihrer Altersgenossen sind nicht mehr unter uns. Heute erinnern Stolpersteine an die ermordeten Juden. Das Hinterhaus, in dem sich Anne Frank mit ihrer Familie, der Familie van Pels und Fritz Pfeffer versteckte, kann in Amsterdam besucht werden.
Anne Frank schrieb in ihr Tagebuch: „Ich will den Menschen, die um mich herum leben und mich doch nicht kennen, Freude und Nutzen bringen. Ich will fortleben, auch nach meinem Tod.“ Dieser Wunsch wurde ihr erfüllt. Dass das auch weiterhin so bleibt und die Lehren aus ihrem viel zu frühen Tod nicht vergessen werden, liegt an uns allen.