Vom Zusammenschluss der CDU gibt es nur wenige Video-Schnitte zu sehen. Dabei fand deren Gründungsparteitag 1950 ausgerechnet in einem Festsaal statt, der auch als Kino diente – dem Goslarer Odeon. Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet erinnert auf der Jubiläumsveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Goslar an diese Gründung – und schlägt in seiner Rede den Bogen in Gegenwart und Zukunft.

„Was hat damals die Menschen bewegt“, fragte Laschet, „1945 die CDU zu gründen?“ Es war der Wunsch, den Aufbau zu gestalten, die Zukunft aufzubauen. Das Kino in Goslar war nach dem Krieg groß genug, um einen Parteitag zu beherbergen.

Goslar selbst lag nah an der innerdeutschen Grenze – der Tagungsort ein sichtbares Zeichen der Verbundenheit. Die Bilder zeigen vor allem Männer, beschreibt Laschet und kritisiert: Noch immer ist die CDU zu drei Vierteln männlich. „Heute gibt es in ihr einige Frauen mehr, aber noch nicht genug.“ Das muss sich ändern, fordert der CDU-Chef.

International mehr Verantwortung übernehmen.

Der Blick auf die Gründung 1950 wirkt auch heute noch vielfach gegenwärtig, erläutert Laschet in seiner Rede. Vieles der Gründungsveranstaltung mutet aktuell an, wie ein Zitat der Rede Adenauers von 1950 zeigt: „Deutschland hat wieder eine Aufgabe. Es will seine ganze Kraft einsetzen für die Gestaltung Europas, für die Sicherung des Friedens.“

1950 hatte der Kalte Krieg Europa fest im Griff und die Welt klar aufgeteilt: Die Rede Adenauers von damals spiegelt wider, „wie der Ost-West-Konflikt da ist, wie die NATO sich gründet“. Freiheit und Demokratie hier, Unterdrückung und sozialistische Diktatur dort. „Es war damals eine Zeit, wo alles auf der Kippe stand.“

Heute stehen wir mit unserer Art zu leben in einem globalen Wettbewerb der unterschiedlichen Ideen – mit Anerkennung oder Ablehnung von Menschenrechten, freiem Denken und der Art, miteinander zu leben und umzugehen. Wieder steht vieles auf der Kippe, so Laschet. China und Russland nehmen immer mehr Einfluss. Dennoch gab es im Wahlkampf zu wenig Austausch über Europa- und Außenpolitik, kritisiert Laschet. Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen, sagt er.

Erfolgsgeheimnis Volkspartei

Die CDU wurde neu gegründet, als „eine Volkspartei, die Konfessionen überwindet“. Christen sollen in einer großen Partei zusammenarbeiten. „Wir sind keine Bewegung. Wir sind auch keine Klassenpartei, keine Bauernpartei, keine Unternehmerpartei. Wir sind eine Volkspartei, die Gegensätze überwindet und sich nicht nur an eine bestimmte Gruppe, sondern an alle Menschen richtet.“

Die Erfolgsgeschichte nahm in Goslar ihren Anfang, so Laschet. Die Nachkriegsjahre und die deutsche Teilung haben die CDU nachhaltig geprägt. Mit der CDU sei es gelungen, eine erfolgreiche Bundesrepublik aufzubauen, die Deutsche Einheit zu erlangen.

Zukunftsmodell Volkspartei

Mit der Vereinigung der Landesverbände erhielt die CDU eine straffe Organisation – so habe es Konrad Adenauer bezeichnet. Es entstand eine CDU auf der Höhe der Zeit, eine kampagnenfähige Kraft. Es ging um christdemokratische Entschlossenheit und Geschlossenheit. Das gelte auch heute noch, bekräftigt Laschet. „Den Charakter der Volkspartei für erledigt zu erklären, nur weil zwei Prozent gefehlt haben – das ist absurd.“

Laschet betont: „Dass Volkspartei als Idee Zukunft hat, das ist gerade in der jetzigen Zeit wichtig.“ Ausgleich zwischen Arbeitnehmerflügel und Mittelstand, zwischen Jüngeren und Älteren – dieser Ausgleich ist Zeichen für Volkspartei. Die CDU als Volkspartei ist für die Aufgaben unserer Zeit „immer noch tragfähig. In diesem Epochenwandel kommt es mehr denn je auf die Christdemokratie an.“

Das christliche Weltbild: der Mensch im Mittelpunkt

„Christliches Menschenbild heißt nicht, dass alle, die in der CDU sein möchten, Christen sein müssen“, stellt der CDU-Vorsitzende klar. Schon früh hatte die CDU jüdische Mitglieder, heute gibt es zahlreiche muslimische Mitglieder. „Das christliche Menschenbild meint: Jeder Mensch hat eine unveräußerliche, unantastbare Würde.“ Das gelte für alle Bereiche des Lebens. „Der Mensch ist nie Objekt des Staates, sondern immer Subjekt. Der Mensch ist Individuum, aber nie nur Individuum“, sondern immer Teil einer starken Gemeinschaft.

„Und die Soziale Marktwirtschaft ist genau die Wirtschaftsform, die das erfüllt.“ Hier werden Freiheit und Ideenreichtum unterstützt. Trotzdem gibt es einen verlässlichen sozialen Rahmen. Heute reden manch Menschen Diktaturen schön, weil Entscheidungen schneller fallen. „Die Antwort ist: Die parlamentarische Demokratie muss sich jetzt beweisen, ob sie die großen Weltfragen mit demokratischen und parlamentarischen Mitteln lösen kann.“ Laschet ist überzeugt: „Man kann mit der Demokratie gut regieren und mit parlamentarischen Mitteln zu guten Ergebnissen kommen.“

Ehrliche Analyse

Die CDU wird auch künftig eine wichtige Rolle spielen, ist Laschet überzeugt. Am Ende der Ära Angela Merkel ist es der CDU nicht gelungen, wieder eine Mehrheit für sich zu gewinnen. Laschet bekräftigt, dass die CDU aus dieser bitteren Niederlage lernen muss. Die Geschichte zeige, dass Niederlagen überwunden werden, wenn man sie ehrlich analysiert und daraus lernt.

Die Ursachen für die Wahlniederlage liegen nicht nur in den letzten Monaten, bekräftigt der CDU-Vorsitzende. 2021 glaubten nur 18 Prozent, dass die CDU geschlossen ist, 57 Prozent glaubten es nicht. „Seit den Wahlen 1949 war die Frage, wie geschlossen eine Partei auftritt, immer eine entscheidende.“

Es gehe darum, „wie tritt man auf? Hat man einen bürgerlichen Habitus, hat man Vertrauen in die Leute?“ Man müsse die Herzen der Wähler gewinnen. Die CDU muss wieder ausstrahlen, es geht um die Menschen im Land, nicht um Karrieren.

Die Opposition müsse daran orientiert konstruktiv werden, „nicht laut und schrill“. Wenn man das alles richtig mache, sei es möglich, dass die CDU schon zum 75. Jahrestag des 1. Bundesparteitags besser dastehen werde. „Und dass wir dann auch wieder eine gute Zukunft haben.“