Wolfgang Schäuble: „Die Bürgerinnen und Bürger schauen auf uns.“
Zusammengefasst:
- Wolfgang Schäuble: "Das Parlament muss selbstbewusst sein."
- Michael Grosse-Brömer: "Herr Dr. Schäuble, Sie haben das Amt des Bundestagspräsidenten unparteiisch, besonnen und würdig ausgeführt. Dafür herzliichen Dank!"
Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm neben Bundespräsident Frank Walter Steinmeier und der ehemaligen Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth auf der Gästetribüne Platz, als sich der 20. Deutsche Bundestag konstituiert. Mit auf der Tribüne ist auch Sabine Bergmann-Pohl, letzte – und einzige demokratisch gewählte – Präsidentin der DDR-Volkskammer. 736 Mitglieder umfasst der neue Deutsche Bundestag. Sechs Fraktionen und zwei einzelne Abgeordnete sind vertreten. Bärbel Bas (SPD) ist neue Präsidentin des Bundestags, für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist Yvonne Magwas neue Vizepräsidentin. Das Präsidium wird komplettiert durch Aydan Özoguz, Claudia Roth, Wolfgang Kubicki und Petra Pau. Die CDU gratuliert herzlich und wünscht eine glückliche Hand bei der Leitung des Parlaments!
Wolfgang Schäuble eröffnet als Alterspräsident die erste Sitzung des neuen Bundestags. Seit 1972 ist er Mitglied des Hohen Hauses und damit mit Abstand dienstältester Bundestagsabgeordneter. In seiner Eröffnungsrede betont er die Bedeutung des Deutschen Bundestags – für Deutschland und Europa. Und er macht deutlich: „An jedem einzelnen von uns hängt die Würde dieses Hauses.“
„Herr Dr. Schäuble, es ist eine besondere Freude, dass Sie heute als Alterspräsident diese Sitzung eröffnet haben. Sie haben das Amt des Bundestagspräsidenten unparteiisch, besonnen und würdig ausgeführt. Sie haben den Bundestag gegen Angriffe von außen und innen verteidigt. Ihnen war vor allem der faire Austausch von Mehrheit und Opposition immer ein besonderes Anliegen. Dafür herzlichen Dank!“ Michael Grosse-Brömer, CDU/CSU
Die Erwartungen sind groß
„Die Bürgerinnen und Bürger schauen auf uns. Ihre Erwartungen an das Parlament sind groß. Wir sollten alles tun, um dem gemeinsam gerecht zu werden“, ermahnte Schäuble seine Kolleginnen und Kollegen im Bundestag. „Wir dienen nicht dem Eigeninteresse einer gesellschaftlichen Gruppe, sondern der Gesellschaft!“ Schäuble weiter: „Wir müssen bereit sein, den Menschen etwas zuzumuten. Nicht nur Antworten geben, die gern gehört werden, sondern Lösungen entwickeln und zur Diskussion stellen für die Aufgaben, die wir als aufdrängend erachten. Und davon die Bürger zu überzeugen. Dazu verpflichtet uns unser Mandat.“
Er betont dazu ausdrücklich: „Konsens wird in diesem Haus nicht die Regel sein. Und das sollte es auch nicht. Hier ist der Ort, an dem wir streiten dürfen, an dem wir streiten sollen. Fair und nach Regeln. Leidenschaftlich und mit einer Gelassenheit, die einer erregten Öffentlichkeit Beispiel geben kann.“ Alle Abgeordneten sollten sich immer wieder um den Reiz einer konstruktiven Debatte bemühen.
An die Neuen gerichtet verspricht der Alterspräsident: Das neue Mandat ist eine „außergewöhnlich erfüllende Arbeit“, die gleichzeitig strapaziös ist und sehr viel Zeit erfordert. „Die Arbeit auf offener Bühne verlangt, das Private zu schützen.“ Erfolg habe, wer anständig bleibe.
Das Gemeinwohl im Blick
„Wir vertreten das Volk. Wir vertreten die legitimen Interessen der Wähler. Aber wir haben immer auch das Gemeinwohl im Blick zu behalten“, so Schäuble. Jeder Abgeordnete vertrete das ganze Volk. Dazu müssten alle Abgeordneten die Vielfalt der Gesellschaft vor Augen haben. Die Vertretung erfolgt nicht durch die Person, sondern durch die Politik. Es gehe immer um den Zusammenhalt der Bevölkerung.
Das Parlament muss selbstbewusst sein
Schäuble warnt davor, immer mehr Entscheidungen direkt an die Menschen zu delegieren oder auf Meinungen zu reagieren. Der Bundestag ist gut beraten, sich mit der direkten Beteiligung kritisch zu befassen, sagt er. „Mehr Mitsprache heißt nicht automatisch mehr Partizipation.“ Die repräsentative Demokratie sorge mit Mehrheiten für mehr Akzeptanz als Voten einzelner Gruppen. Dazu muss das Parlament seine Rolle selbstbewusst wahrnehmen. Schon vorab hatte Schäuble die Forderung nach einer effektiven Wahlrechtsreform formuliert: „Sie duldet ersichtlich keinen Aufschub. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.“ Dazu brauche es eine Einigung aller Fraktionen.
Respekt und Unterstützung
„Ich habe in diesen vier Jahren als Bundestagspräsident ein hohes Maß an Respekt und Unterstützung erfahren“, erklärt Schäuble in einem persönlichen Rückblick zum Abschluss. „Dafür bin ich dankbar. Und ich erbitte und erhoffe es auch für meine Nachfolgerin, die wir heute in dieses Amt wählen.“
Was bedeutet eigentlich „konstituiert“?
Der Begriff konstituieren kommt aus dem Lateinischen. Constituere bedeutet in etwa feststellen, festsetzen, einrichten oder sich organisieren. Die Konstituierung des Deutschen Bundestags bedeutet damit: Der Deutsche Bundestag organisiert seine Zusammensetzung und verteilt die Aufgaben. Die Abgeordneten wählen eine Präsidentin oder einen Präsidenten und deren Stellvertreter, organisieren die Zusammensetzung der Ausschüsse und benennen deren Vorsitzende.